proGesundheit Ausgabe 11 - page 17

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Nuklearmedizin
Die Schilddrüse ist ein sensibles Organ,
sie produziert Hormone und sorgt für das
reibungslose Funktionieren vieler Stoff-
wechsel-Prozesse. Beinahe jeder dritte
Deutsche erkrankt im Laufe seines Lebens
an der Schilddrüse. Welche Anzeichen man
ernst nehmen sollte und wie Schilddrü-
senerkrankungen heute behandelt wer-
den erklärt Dr. Andreas Kelber, Nuklearme-
diziner und Sportmediziner aus Hannover.
proGesundheit:
Welches sind die hier bei
uns am häufigsten auftretenden Schilddrü-
senerkrankungen und wodurch machen sie
sich bemerkbar?
Dr. Andreas Kelber:
Die Schilddrüse kann
ganz unterschiedliche Veränderungen auf-
weisen: Überfunktion, Unterfunktion, Ver-
größerung, Entzündung und auch Knoten-
bildungen sind möglich. Oft beginnen die
Veränderungen schleichend. Was bedeuten
kann, dass man selbst kaum etwas von der
Erkrankung bemerkt. Aufmerksambeobach-
ten sollte man daher Veränderungen wie Ge-
wichtszunahme, Stimmungsschwankungen,
Nervosität, Herzrasen, Haarausfall, Schlafstö-
rungen, Durchfälle oder Gewichtsverluste.
Letztere können dann auf eine Überfunkti-
on der Schilddrüse hinweisen. Eine Schild-
drüsenunterfunktion wird dagegen oft von
Antriebslosigkeit, ständiger Müdigkeit, Ver-
stopfung und Gewichtszunahme begleitet.
Doch nicht immer sind solche Symptome
vorhanden oder für die Patienten wahr-
nehmbar. Eine eindeutige, typische Verlaufs-
form gibt es eher selten.
ProGesundheit:
Wie diagnostiziert man
Schilddrüsenerkrankungen? Welche Unter-
suchungen sind sinnvoll?
Dr. Andreas Kelber:
Es ist wichtig, das die
Erkrankung frühzeitig erkannt und thera-
piert wird. Einen ersten Aufschluss über die
Hormonausschüttung im Körper ergibt eine
Blutuntersuchung. Überprüft wird die Kon-
zentration der Schilddrüsenhormone: FT4
und FT3 sowie der TSH-Wert. Dieser ist In-
dikator für Veränderungen im Hormonhaus-
halt. Noch detailliertere Ergebnisse erhalten
wir danndurch eineUltraschalluntersuchung
der Schilddrüse (Sonographie). Schließlich
kann die Funktion des Schilddrüsengewe-
bes durch eine Szintigraphie der Schilddrüse
beurteilt werden. Hier wird die Stoffwechsel­
aktivität der Schilddrüsenzellen untersucht.
Bei Knotenbildungen in der Schilddrüse soll-
te zur sicheren Zellbeurteilung das Gewebe
punktiert werden. Die Durchführung einer
sogenannten Feinnadelbiopsie stellt dabei
eine kaum schmerzhafte, schnelle und vor
allem aussagekräftige Methode zur Unter-
scheidung von bösartigen Schilddrüsenkno-
ten dar.
proGesundheit:
Oft treten Schilddrüsener-
krankungen in Form entzündlicher Autoim-
munerkrankungen wie Morbus Basedow
oder Hashimoto-Thyreoiditis auf. Kann man
diese ohne Operation behandeln?
Dr. Andreas Kelber:
Diese entzündlichen Ver-
änderungen des Schilddrüsengewebes wer-
den heute meist medikamentös und ohne
Operation behandelt. Nur in seltenen Fällen
muss hier heute noch anderweitig therapiert
werden.
Gabriela Teichmann
Dr. Andreas Kelber
Schilddrüsenerkrankungen rechtzeitig erkennen
Hashimoto-Thyreoiditis
Der „Kropf“
Foto: G. Teichmann
Kundeninformation
Hashimoto-Thyreoiditis (Struma lympho-
matosa Hashimoto) gehört zu den ver-
breitetsten Erkrankungen der Schilddrü-
se. Diese Autoimmunkrankheit, bei der
durch einen fehlgeleiteten Immunprozess
Schilddrüsengewebe durch körpereigene
Abwehrzellen zerstört wird, führt zu einer
chronischen Entzündung der Schilddrüse.
Benannt wurde die Krankheit durch den
japanischen Arzt Hakaru Hashimoto (1881
– 1934), der sie als erster wissenschaftlich
beschrieb.
Im Krankheitsverlauf kommt es zu einer
Schilddrüsenunterfunktion. Als Autoim-
munkrankheit ist sie nicht heilbar, aber sehr
gut behandelbar. Neben der täglichen Ein-
nahme von genau bemessenen verschrei-
bungspflichtigen Schilddrüsenhormonen,
kann man in Rücksprache mit dem behan-
delnden Arzt unterstützend auch Nahrungs-
ergänzungsmittel wie Selen nehmen oder
weitere flankierende naturheilkundliche
Maßnahmen ergreifen. Jede Maßnahme soll-
te aber stets mit den behandelnden Medizi-
nern abgesprochen werden.
Andrea Hoffmann
Die medizinisch korrekt als „Struma“ be-
zeichnete tastbare, sichtbare und messbare
Vergrößerung der Schilddrüse kommt vor
allem in Süddeutschland am Alpenrand vor,
in Gegenden mit wenig natürlichem Jodvor-
kommen. Scherzhaft wird der Kropf daher
auch als „Allgäuer Sportabzeichen“ bezeich-
net. Jodmangel ist der häufigste Auslöser
für diese weltweit häufigste Schilddrüsener-
krankung. Durch jodreichere Ernährung
und veränderte Diagnostik sieht man heute
nur noch selten Menschen mit einem Kropf.
Neben der Einnahme von Jod oder Schild-
drüsenhormonen kann das Struma auch
mittels Radiojodtherapie behandelt oder
operiert werden.
Andrea Hoffmann
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